Ein paar offene Gedanken zum Thema „Weihnachtsgeld“ in Werkstätten für behinderte Menschen, und gleich vorweg: Wir reden nicht von einem 13. Monatsgehalt wie es das manchmal auf dem ersten Arbeitsmarkt gibt, wir reden nicht mal von Geldbeträgen in Bar, wir reden von Sachleistungen im niedrigen/mittleren zweistelligen Eurobereich.
Grob formuliert schütten Werkstätten nicht nur die in der Werkstatt erzielten Gewinne als Lohn an die Beschäftigten aus, sondern (natürlich) auch einen großen Teil Steuergelder eines jeden deutschen Steuerzahlers, der selbstverständlich auch jederzeit in Bezug derartiger Gelder – beispielsweise über SGB-Leistungen – geraten könnte. Deshalb kann ein Werkstattleiter nicht sagen, „Ach ja, hier liegen noch so und so viel tausend Euro rum, ich lege jetzt jedem Beschäftigten einen Fünzig Euro Schein in die Hand!“ – ein oft gewähltes Mittel sind dementsprechend Sachleistungen, natürlich mit einem recht geringen Wert, zumindest immer im direkten Vergleich zum ersten Arbeitsmarkt.
Da wir aber eben nicht der erste Arbeitsmarkt sind und sich jeder Beschäftigte (im SGB-Leistungsbezug, mit kargem Taschengeld aus Wohnheimen, usw.) durchaus auch über einen Kleinstbetrag freut, werden schon im Sommer erste Stimmen laut, ob es Ende November wieder „Weihnachtsgeld“ gibt.
Eine derartige Weihnachtsgeldzahlung ist nach WMVO voll mitbestimmungspflichtig, jedoch scheuen viele Werkstätten die offene Debatte über die Wünsche der Beschäftigten und vielen Werkstatträten wird sogar ein gewisser Undank unterstellt, wenn man das System oder die Art und Weise, wie derartige Entlohnungsfragen gelöst oder welche „pädagogischen Konzepte“ vorgeschoben werden, offen anspricht.
Der Klassiker ist der Grundsatz „Lohn schafft Arbeitsanreize“.
Wer im Arbeitsbereich einer WfbM arbeitet, der bekam im Jahr 2016 im Schnitt 180.- Euro. In Vollzeit. Im Monat. Sozialämter beschneiden ihre Grundsicherungsleistungen durch dieses „schützenswerte Einkommen“ dann nur noch um etwa 1/5, so dass man eher verstehen kann, dass für eine „leistungsschwache“ Person (Der Lohn wird schließlich auch nach Leistung verändert; Steigerungsbetrag nennt sich das), die eventuell nur in Teilzeit arbeiten kann, dann 50.- Euro zu Weihnachten ohne Übertreibung (!) einem 13. Gehalt sehr nahe kommt. Dieser „Arbeitsanreiz“ wird natürlich pädagogisch wertvoll in alle erdenklichen Richtungen hin- und herreguliert, bis irgendwann die Neidkultur so weit geht, dass Beschäftigte sich wegen 20.- Euro mehr oder weniger (IM JAHR!!) gerne und regelmäßig die Augen auskratzen.
Weihnachtsgeld-Modelle, die nun nicht die erbrachte Leistung, sondern oftmals einfache Anwesenheit „prämieren“, führen dieses Modell ad absurdum: Da bekommt ein engagierter Staplerfahrer im Lager, der aus unterschiedlichsten Gründen (Therapietermine am Nachmittag, o.ä.) nicht in Vollzeit arbeiten kann, dann weniger Weihnachsgeld, als ein stark medikamentös Beeinträchtiger, der den ganzen Tag schläft, aber auf dem Papier eben „in Vollzeit kommt“.
Versteht mich nicht falsch, unmittelbar die Aufklärung: Ich lehne ALLE derartigen Kategorisierungen, pädagogischen Konzepte, Leistungstabellen, Arbeitszeitabstufungen und vieles mehr, in Zusammenhang mit einem Weihnachtsgeld von vielleicht ca. 40 Euro ab. Rigoros.
JA, da würden einige Beschäftigten vor Neid und Mißgunst gelb werden, aber die einzige – die einzig wahrhaftige, salomonische und solidarische – Lösung dieses Problems ist der Einheitsbetrag.
Nicht ein Beschäftigter „aus Gründen“ 30.- Euro und der andere Beschäftigte „aus anderen Gründen“ 50.- Euro.
Alle 40.- Euro. Punkt.
Ich schreibe diese Zeilen gerade nur aus einem Grund: All die Argumente, die in in 5-6 Jahren zu diesem Thema von nahezu allen Beteiligten genannt wurden (und manchmal sogar ein gewisses Verständnis von mir geerntet haben), sind mit der derzeitigen Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Situation obsolet und absolut weltfremd, ja unsinnig.
Nehmen wir die bereits in anderen Zusammenhängen beschriebene Freiwilligkeits-Regelung der Landschaftsverbände, die niemanden mit begründeten Infektionsängsten (Pendeln im öffentlichen Nahverkehr mit einer Psychose oder Neurose – in COVID-19 Zeiten ein Alptraum!) zur Arbeit zwingt, die Entlohnung aber weiterhin in vollem Umfang sichert. Das führt dazu, dass die Hälfte der Beschäftigten nicht in die Werkstätten zur Arbeit kommt, oftmals über Monate: Will man diesen Personen nun den „Arbeitsanreiz eines hohen Weihnachtsgeldes“ verweigern? Holt die Werkstatt-Buchhaltung einen Taschenrechner raus und summiert Anwesenheits-Monate? Wird da nach einer komplizierten Tabelle abgerechnet?
Warum kann man nicht, Pandemie oder keine Pandemie, einfach allen Leuten einen solidarischen Einheitsbetrag als Weihnachtgeld auszahlen?
40.- Euro für jeden.
Oder eben gar kein Geld dieses Jahr: Vielleicht haben die Werkstattleitungen der WfbM in Deutschland dieses Jahr Glück und müssen sich nicht mit dieser komplizierten Rechnung auseinandersetzen, da COVID-19 grundsätzlich die Finanzlage auf katastrophale Weise auf den Kopf gestellt hat.